Die Bootstaufe war himmlisch



Mit diesen Worten beginnt der Bericht einer jungen Ruderin von vielleicht 17 oder 18 Jahren. Er ist einem Brief entnommen, den eine der Schwestern, Gisela oder Ursula Börner, ihrer Ruderkameradin Marianne Rohmer im Jahr 1954 geschrieben hat. Vor 47 Jahren war eine Bootstaufe noch himmlisch und keinesfalls echt geil.

Unter der Zeichnung steht dann:

Es war sehr schön, leider regnete es. Dem Kuli wurde die Urkunde für den zweiten Platz beim Anrudern überreicht. Dann wurden die Namen derer genannt, die das Fahrtenabzeichen machten. Bärbel und ich wuchsen um 2 cm. Dann ruderten wir. Ich konnte leider nicht im Vierer fahren, denn ich gehöre ja nicht zur Trainingsmannschaft. So fuhr ich mit Birgit Zweier u. Ingrid Schmidt steuerte.
Für heute Schluss. Herzliche Grüße. Na, bald sehen wir uns ja. Ruf nur gleich mal an, wenn Du da bist, damit wir die Ehrenrunde rudern können.

Damals ruderten die vier Kinder des Bad Kreuznacher Gynäkologen Dr. med. Börner bei uns, außer den beiden genannten ältesten Mädchen noch die jüngere Schwester Bärbel und deren Bruder, genannt die Robbe.

Marianne Rohmer ist die Schwester unseres heutigen Ruderwartes Xaver Rohmer.
Die Familie Rohmer war mit sechs aktiven Ruderern eine Institution im damaligen CRV. Außer den Eltern, Lotte und Xaver sen., die noch immer ins Boot stiegen, trainierten zur gleichen Zeit sehr erfolgreich auch die beiden anderen Söhne, Friedel und Jürgen.

Die Bootstaufe ist die des Onkel Willi. Es war der Spitzname des damals ältesten Vereinsmitgliedes Wilhelm Giudice, der noch zu der Gründergeneration gehörte. Mit dem Bootsnamen setzte der CRV den damaligen Brauch fort, Boote auf die Spitznamen würdiger Mitglieder zu taufen; nach den beiden Klinker-Booten, dem A-Vierer Veilchen und dem B-Vierer Cowboy jetzt also der C-Vierer Onkel Willi.

Dazwischen gab es allerdings eine Ausnahme:

1952 wurde als drittes nach dem Kriege neu angeschafftes Boot ein C-Vierer auf den Namen Nahe getauft. Gebaut wurde die Nahe in der Opel-Werft in Rüsselsheim und von dort in einer Tageswanderfahrt den Main hinunter über Mainz bis Bingen gebracht, von wo aus der Transport mit dem Opel-Blitz des Weingutes Paul Anheuser und dessen Fahrer, Herrn Lips, bis Bad Kreuznach erfolgte.

Aber zurück zu der Bootstaufe von 1954:

Der Chronist hat damals das besondere Ereignis in Fotos dokumentiert, die die Skizze oben ergänzen. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, welche Bedeutung damals in der Zeit des Wiederaufbaus, neun Jahre nach Kriegsende und fünf Jahre nach der Währungsreform die Anschaffung eines solchen Vierers im Bewusstsein der Mitglieder hatte und wie stolz sie waren.

Unter den zahlreich erschienen Teilnehmern natürlich an vornehmster Stelle der Namenspatron, Onkel Willi mit seiner Tochter, Frau Behr, Frau Rehak, Frau Pitthan und Herr Hiedewohl.

Der damalige CRV-Präsident, Paul Anheuser, hielt selbstverständlich eine Ansprache, die der großen Bedeutung des Ereignisses angemessen war. Neben ihm auf dem Bild ist der damalige Beisitzer, unser späteres Ehrenmitglied Xaver Rohmer, zu erkennen und dazwischen Karin Koerwer, die Schwester unseres heutigen Kassenwartes Hans-Peter Koerwer, die anschließend den eigentlichen Taufakt vollzog.

Die Briefschreiberin erwähnt drei der fünf Ruderer, die Ehrenspalier standen und anschließend auch zur ersten Jungfernfahrt aufs Wasser gingen.
Von links (Bild oben), also vom Bug her, sind zu erkennen: Jürgen Rohmer, Klaus Wohlleben, Ekkehard Lorenz, Friedel Rohmer und als Steuermann Wolf Forßmann, ein Sohn aus der mit etlichen Brüdern im CRV vertretenen Dynastie des Bad Kreuznacher Nobelpreisträgers.

Schließlich wird in dem Brief noch eine Person besonders erwähnt und deren Platz auf der Zeichnung hervorgehoben, der Kuli.

Hier handelt es sich um unseren damaligen Vereinstrainer Siegfried Kuhlmey-Becker, der sich bei den damaligen - und vor allen Dingen weiblichen - Mitgliedern der Jugendabteilung allergrößter Wertschätzung erfreute.

Präsident Paul Anheuser gratuliert ihm und überreicht ihm die Urkunde, mit der der Deutsche Ruderverband den 2. Platz des CRV beim damaligen Anrudern dokumentiert. In einem nationalen Wettkampf versuchten die teilnehmenden Vereine mit möglichst zahlreichen Mannschaften möglichst viele Kilometer zu rudern.

Das letzte Bild aus meiner Fotosammlung schließlich zeigt, wie das neue Boot von seinem Lager am Fuße der Rampe, durch die enge Passage um die alten Gebäude der Seilerei herum, zu Wasser gebracht wurde.